Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband RheinBerg-Oberberg e. V.

Die Laurentiusstraße - Erste Fahrradstraße in Bergisch Gladbach, oder doch nicht?

Die Laurentiusstraße - Erste Fahrradstraße in Bergisch Gladbach, oder doch nicht? © Bernhard Werheid

PM des ADFC RheinBerg-Oberberg zum Verkehrsversuch Laurentiusstraße

Der ADFC hat sich bisher an der öffentlichen Diskussion der Verkehrsversuches in Bergisch Gladbach nicht beteiligt, weil das Niveau der Auseinandersetzung unerträglich war und zu einer völlig unnötigen Polarisierung der Verkehrsteilnehmer mit ...

Der ADFC hat sich bisher an der öffentlichen Diskussion der Verkehrsversuches in Bergisch Gladbach nicht beteiligt, weil das Niveau der Auseinandersetzung unerträglich war und zu einer völlig unnötigen Polarisierung der Verkehrsteilnehmer mit einer unfairen Diskreditierung des Radverkehrs geführt hat.

Fast alle unsere Mitglieder sind nicht nur per Fahrrad, sondern auch mit dem Auto, dem ÖPNV oder zu Fuß unterwegs. Wir begrüßen, dass nach dem NRW Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz alle diese Mobilitätsformen gleichberechtigt sind. Außerdem weisen wir erneut auf den oft vergessenen Paragrafen 1 der StVO hin:
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Natürlich gilt daher, dass diese und andere Verkehrsregeln von allen Verkehrsteilnehmern einzuhalten sind und zum überaus größten Teil auch akzeptiert werden.

Politisch versteht sich der ADFC nicht als egoistische Lobby-Vereinigung, sondern begreift die Förderung des Radverkehrs als gesellschaftspolitische Aufgabe und Beitrag zur Verkehrswende als eine der Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe. Das ist im Grunde Konsens innerhalb der Bevölkerung und in den maßgeblichen Parteien. Dies rechtfertigt - nach Güterabwägung - auch Maßnahmen zur Reduktion des ruhenden und fließenden KFZ-Verkehrs und darf nicht als Symbolpolitik oder Klientel-Politik abgetan werden.

Der ADFC unterstützt und begrüßt daher die Bestrebungen, die Laurentiusstraße als eine für den Anlieger-Verkehr freigegebene Fahrradstraße einzurichten. Denn verkehrsrechtlich ist die uneingeschränkte Freigabe für den KFZ-Anliegerverkehr bei Fahrradstraßen möglich und akzeptiert. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung hat der ADFC etliche Vorschläge zu einer Fahrrad- und Fußverkehrsfreundlichen Gestaltung der Laurentiusstraße gemacht, die auch Vorteile für die Einwohnerschaft und die Geschäfte bringen. Dies erfolgte auf Basis des sehr kompetenten, aber offensichtlich in Vergessenheit geratene Fachgutachtens des Bonner Ingenieurbüros AB aus dem Jahr 2021.

Zu der Frage einer Änderung der KFZ-Verkehrsführung hat der ADFC sich bewusst nicht geäußert, weil dies nicht das Hauptkriterium für die Nutzung als Fahrradstraße darstellt und die Stadt sich eine interne Entscheidung ausbedungen hatte. Die Entscheidung für den derzeitigen Verkehrsversuch mit Führung des KFZ-Verkehrs über indirekte Einbahnstraßen und Durchfahrtsbeschränkung vor der Einfahrt zur Tiefgarage Marienkrankenhaus als Maßnahme zur Reduktion des Durchgangsverkehrs hat die Stadtverwaltung als Ganzes getroffen und sehr kurzfristig von der Ratsmehrheit im AMV beschließen lassen. Die Kriterien für einen objektivierbaren Erfolg des Verkehrsversuches (Ausmaß und Akzeptierbarkeit von Verkehrsverlagerungen durch Vorher/Nachher-Vergleich) wurden nicht offengelegt und diskutiert und es ist nicht Aufgabe eines Fahrradverbandes, den Erfolg/Misserfolg des Versuchs faktenbasiert zu bewerten. Wir sind gespannt, welche Daten die Verwaltung aus der Zwischenbewertung gewonnen hat.

Der bisherige Verlauf der öffentlichen Diskussion mit der unsachlichen Anfeindung der Radfahrenden hat dem Ansehen des Radverkehrs sehr geschadet. Daher kommen wir nicht umhin, auch unsere Kritik am Verkehrsversuch zu äußern und Vorschläge für das weiter Vorgehen zu machen:
1. Das Ziel des Verkehrsversuches wurde nicht klar kommuniziert. Es war/ist nicht klar, ob mit der geänderten KFZ-Führung eine von mehreren Möglichkeiten zur Reduktion des Durchgangsverkehrs durch die Laurentiusstraße getestet wird und was der „Plan B“ im Falle eines negativen Ausgangs ist. Im ersten Satz der Pressemitteilung der Stadt vom 30.10.2023 wird der Versuch stattdessen schon als „Verkehrsversuch, in der Laurentiusstraße eine Fahrradstraße einzuführen“ bezeichnet, womit die Entscheidung über den Verkehrsversuch schon als Entscheidung über die Fahrradstraße als Ganzes deklariert wird.
2. Die angebliche Notwendigkeit des Verkehrsversuches als einzig mögliche Option für eine Fahrradstraße wurde nicht transparent begründet. Da es sich um erhebliche Eingriffe in die Führung des KFZ-Verkehrs handelt, hätten mildere Maßnahmen geprüft werden müssen (z.B. Maßnahmen im Konzept einer Freigabe der Laurentiusstraße für den Anlieger- und Parkplatz-Verkehr, wie vom Ingenieurbüro AB vorgeschlagen).
3. Die Bedeutung der Kommunikation eines schwierigen, schwer begreifbaren Sachverhaltes wurde zwar erkannt und mit hohem Aufwand betrieben, hat aber die Betroffenen nicht ausreichend erreicht. Die Zahl der zusätzlichen Markierungen und Schilder konnte das nicht kompensieren.
4. Stockfehler für die Akzeptanz waren u.a. das Verbot der Weiterfahrt 5 m vor der Einfahrt die Tiefgarage des MKH, das Durchfahrtverbot für Taxis (ebenfalls gegen die Empfehlung von AB) und die Freigabe für Lieferverkehr, aber nicht für Anlieger.
5. Die aktuelle Sperre wurde angeblich als einziges Mittel zur Vermeidung des Durchgangsverkehrs gewählt, weil dies von der Polizei besser zu überwachen sei als ein „frei für Anlieger“-Verkehr. Umso unverständlicher ist es, dass die Überwachung der neuen Führung durch die Polizei gar nicht erst versucht wurde, nicht einmal mit einem „Ermahnungskonzept“ oder einem „Pappkameraden“. Das komplette Tolerieren des rechtswidrigen Durchfahrens (mit klammheimlicher Sympathie nicht nur im TV-Beitrag der aktuellen Stunde) ist sehr alarmierend. Man wird den Eindruck nicht los, dass ein positiver Ausgang des Verkehrsversuches von Teilen der Verwaltung nur zögerlich unterstützt wird. Die freimütig geäußerte Skepsis des Bürgermeisters war auch nicht besonders hilfreich.

Was wird jetzt aus der Idee der Fahrradstraße?
Die negative öffentliche Wahrnehmung der Durchführung und Beendigung des Verkehrsversuches führt dazu, dass das Ziel einer Laurentiusstraße als Fahrradstraße angesichts der Positionierung der SPD kurzfristig nicht erreichbar ist. Dies ist sehr bedauerlich.

Weitere Diskussionen und Anstrengungen sind aber kontraproduktiv und vergeuden wertvolle Personalkapazität innerhalb der Stadtverwaltung, die für andere Projekte zur Verbesserung der Fahrradinfrastruktur dringend benötigt wird. Die Fahrradstraße ist nach derzeitigem Stand für 2023 völlig illusorisch und unsere Stadt Bergisch Gladbach offensichtlich noch nicht reif für eine zukunftsorientiere Lösung.

Daher ist der angebotene alternative Vorschlag der Verwaltung zur Umgestaltung der Laurentiusstraße (neben Fahrbahnsanierung hoffentlich mit Fahrradparkplätzen, Begrünung und Barriere-freien Kreuzungen mit mehr Sicherheit für Rad- und Fußverkehr) zwar nicht die vom ADFC bevorzugte Lösung. Es ist aber eine so deutliche Verbesserung der Infrastruktur, dass wir die priorisierte Umsetzung noch in diesem Jahr unterstützen. Zu einer Überführung in eine sichere, anliegerfreundliche Fahrradstraße mit hoher Signalwirkung in den Folgejahren ist es dann nicht mehr weit.

Dr. Bernhard Beckermann
Der Autor ist verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Kreisverbandes RheinBerg-Oberberg


https://rheinberg-oberberg.adfc.de/pressemitteilung/presse-erklaerung-des-adfc-rheinberg-zum-verkehrsversuch-laurentiusstrasse

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