Die rechtsrheinischen RadPendlerRouten (rRPR): Quo Vadis?
Vier Routen aus dem rechtsrheinischen Kölner Umland sollen es Pendlern ermöglichen, mit dem Rad von ihren Wohnorten zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Köln zu kommen und dadurch einen klimafreundlichen Beitrag zur Verkehrswende zu ermöglichen.
Im Fokus sind Trassen mit Start in Leverkusen, Bergisch Gladbach, Rösrath und aus Troisdorf/Niederkassel mit Endpunkten in Köln-Deutz und Köln-Mülheim (Siehe Bild 1). Seit 2019 gibt es eine sehr positive Machbarkeitsstudie und seit Mitte 2022 haben sich alle beteiligten Kommunen auf gemeinsame, verpflichtende Qualitätsstandards geeinigt.
Am 27.10.2022 wurden im Rösrather Schloss Eulenbroich der interessierten Öffentlichkeit der Projekt-Stand vorgestellt, Fragen beantwortet, konkrete Vorschläge gesammelt und das weitere Vorgehen diskutiert. Der ADFC war mit Vertretern aus Lohmar, Rösrath, Bergisch Gladbach und LEV dabei.
Das Planungsbüro VIA erläuterte zunächst die neuen Begrifflichkeiten in Regelwerken: Radschnellwege heißen jetzt Radschnellverbindungen. Die haben aber so hohe Anforderungen an Exklusivität der Führungsform („Radautobahn“) an Breite und Qualität, die im Kölner Umland kaum erfüllbar sind (siehe langjähriger Planungsstillstand beim legendären Radschnellweg von Frechen nach Köln). Die Radpendlerrouten gehören zur Kategorie der neu definierten Radvorrangrouten. Sie definieren für Radpendlerrouten Qualitätsstandards, die weniger restriktiv sind als für Radschnellverbindungen, aber höher sind als die in der ERA 2010 und der RASt festgelegten Mindestanforderungen für Radwege. Zusammen mit der Möglichkeit, wechselnde Führungsformen für eine Route zu kombinieren, bieten die neuen Planungsstandards die Möglichkeit, attraktive Pendlerrouten in beengtem Raum zu realisieren.
Die vereinbarten Qualitätsstandards der jeweiligen innerorts und außerorts möglichen Führungsformen sind in einem klar strukturierten und bebilderten 57-seitigem Planungsleitfaden zusammengefasst (https://www.rbk-direkt.de/220711-radpendlerrouten-planungsleitfaden.pdfx?forced=true). Hier einige wesentlichen Punkte des Leitfadens:
Trassierung
‐ Direkte, weitgehend umwegfreie und stetige Linienführung
‐ Sichere Befahrbarkeit auch bei hohen Fahrgeschwindigkeiten
‐ Möglichst geringe Steigungen
Oberflächen, Barrierefreiheit, Betrieb
‐ Gute Befahrbarkeit des Belages mit geringem Rollwiderstand und hoher Griffigkeit auch bei Nässe
‐ Barriere-freie Ausgestaltung, Vermeiden von Stößen (z.B. durch Bordkanten)
‐ gute Befahrbarkeit für Unterhaltungs- und Betriebsdienst sowie Rettungsfahrzeuge
Gestaltung von Streckenabschnitten
- Ausreichende Breite, die das Überholen, Begegnen und Nebeneinanderfahren ermöglicht
‐ Möglichst getrennt von anderen Verkehrsarten
- Ausreichende Überholsichtweiten bei seitlichem Bewuchs oder baulichen Sichthinderungen
‐ Hohes subjektives Sicherheitsgefühl und soziale Sicherheit durch Vermeiden von Angsträumen
- Im Bedarfsfall ausreichende Beleuchtung
‐ Verträgliche Einbindung in Natur und Landschaft ‐
‐ Durchgängig gute Orientierung (Wegweisung, grüne Randstreifen)
Gestaltung von Knotenpunkten
‐ Wenig Zeitverluste durch Warten, Halten und Beschleunigen, auch durch bevorrechtigte Kreuzungsstellen (!), Grünpfeile, grüne Welle Radverkehr, Kreisverkehre
‐ Ausreichend dimensionierte Aufstellflächen an Stellen, wo Radfahrende ggf. warten müssen.
- Gute Sicht auf die gesamte Kreuzung mit intuitiver Erkennbarkeit der Streckenführung
Führungsformen (abschnittsweise kombinierbar) und Breiten der Fahrgasse
- Selbstständig geführte Abschnitte abseits von Straßen (in BGl z.B. auf dem Bahndamm oder der alten Straßenbahntrasse): 4m (innerorts) bzw. 3,5m (außerorts) als breiter gemeinsamer Geh-/Radweg
- Fahrradstraße mit „Anlieger frei“: Breite bei Kfz-Verkehr in eine bzw. beide Richtungen 4,1 bzw. 4,6m plus Sicherheitsabständen zu Längsparkern von mindestens 0,5m
- Mischverkehr: nur auf Erschließungsstraßen mit < 1.500 Kfz/Tag, wenn Fahrradstraße nicht möglich ist. Tempo 30, Breite 4,7m plus Sicherheitsabständen zu Längsparkern von mindestens 0,5m
- Hochbord Geh-/Rad-weg, Einrichtungsverkehr: Breite ≥ 2,50m plus ≥ 0,50m Sicherheitsstreifen zur Fahrbahn (in BGl z.B. neben Kalkstraße, s. Bild 2)
- Radfahrstreifen: Als Ausnahme ab 2.500 Kfz/Tag mit hohen Anforderungen: Breite ≥ 2,75m plus Sicherheitsstreifen, ggfs. Trennelemente zur Fahrbahn („protected lane“)
- Schutzstreifen: Auch nur als Ausnahmefall und nur innerorts auf Straßen mit Kernfahrbahn von ≥ 5,0m, mit nur mäßigem Kfz-Verkehr und bei eingeschränkter Flächenverfügbarkeit): Regelbreite ≥ 2,00 m mit Sicherheitstrennstreifen von ≥ 0,75 m zu längsparkenden Kfz.
Jetzt geht’s los …?
Schöne Aussichten, aber wie schnell geht’s weiter? Aufgrund der beengten Straßenräume und des hohen Kfz-Aufkommens wird es sowohl bei der Bergisch Gladbacher (RPR2) als auch der Rösrather Route (RPR3) auf den geplanten Routen schwierig, innerorts geeignete Führungsformen zu realisieren. Allerdings lässt der Planungsleitfaden zu, dass die Anforderungen auf bis zu 20% der Gesamt-Trasse unterschritten werden. Hindernisse sind vor allem das komplexe Planungsrecht inkl. Anforderung an den Naturschutz sowie die in beiden Kommunen nicht ausreichende Priorisierung und Verfügbarkeit der personellen und finanziellen Ressourcen. Aus diesem Grunde konnten die Veranstalter trotz mehrfacher Nachfrage keine konkreten Zeitpläne für die Realisierung der Radpendlerrouten nennen. Nach persönlicher Einschätzung ist eine Fertigstellung signifikanter Teilabschnitte nicht vor 2026 und der Gesamtrouten nicht vor 2033 zu erwarten.
Als nächster Schritt wurde im Juli 2022 im Konsortium vereinbart, für einzelne Abschnitte mit der Entwurfsplanung zu beginnen. Dies umfasst in Bergisch Gladbach die Abschnitte von Bensberg und Bergisch Gladbach bis zur Stadtgrenze Köln und soll laut Beschluss des Mobilitätsauschuss durch externe Büros erfolgen soll. Doch schon diese Entwurfsplanung ist ein langwieriger Prozess: Denn hierfür müssen die gewünschten Planungs-Leistungen genau formuliert, ausgeschrieben, ausgewählt und beauftragt werden. Ein wichtiges, seit langem ausstehendes Thema ist z.B. die Untersuchung alternativer Teil-Strecken und Führungsformen unter Einschluss einer Bürgerbeteiligung. Denn die 2019 in der Machbarkeitsstudie vorgeschlagene Routenführung und Führungsform für den Abschnitt von Bergisch Gladbach bis Stadtgrenze und Köln-Dellbrück werden großen Diskussionsbedarf entfachen (Interferenz mit Zanders-Projekt sowie Anschluss an die KVB-Endstation durch den naturgeschützten Thielenbruch und über Verkehrsflächen der Behindertenwerkstatt, Bild 3).
Nach Abschluss der Entwurfsplanung und Beratung/Beschlussfassung der Ergebnisse in Fachausschüssen erfolgt dann die Genehmigungsplanung inklusive Prüfung von Naturschutzfragen und erneuter Beratung/Beschlussfassung. Erst auf dieser Basis kann dann die Ausführung ausgeschrieben, ausgewählt und beauftragt werden.
Für die Rösrather Route ist aufgrund der Führung parallel zur Landesstraße am Königsforst (Naturschutz) und der unzureichenden Beteiligung des Landesbetriebes Strassen.nrw als Baulastträge ebenfalls ein steiniger Planungsweg vorgezeichnet. Die von der dann sich anschließende Ausführung bis zur Inbetriebnahme benötigte Zeit kann derzeit für beide Pendlerrouten nicht eingeschätzt werden.
Um die Wartezeit zu verkürzen, könnten aber in nächsten 3 Jahren in beiden Kommunen schon kleinere Abschnitte der Pendlerroute und Maßnahmen auf Zubringer-Strecken realisiert werden, die zwar den Weg nach Köln noch nicht relevant verkürzen, aber innerstädtisch die Nahmobilität schon deutlich verbessern würden. In Bergisch Gladbach könnte das z.B. der Abschnitt zwischen dem Driescher Kreisel und dem Quartier 13 sein, um ein erstes deutliches Zeichen für den Einsatz der Kommune für ihre Radpendlerroute zu setzen.
Bernd Beckermann
(Verkehrspolitischer Sprecher)
Anhang (Bild 4): Die ADFC-Vertreter auf der Veranstaltung (Eckhard Grevener, Bernd Beckermann, Christoph Claes, Johannes Schweinem, Martin Heringer, Peter Lorscheid, Kurt Krefft)